Mit nur einem Wort alles sagen - von der Kunst bedeutungsvoll zu kommunizieren

Es gibt Momente im Leben, in denen die Gefühlszustände so komplex sind, dass sie ganze Bücher füllen könnten. Doch wer hat schon stets die Muße all das Wirrwarr im Kopf niederzuschreiben? Und wer vor allem hat die Muße, dies alles zu lesen? Denn die Gedanken formen sich doch erst dann zu etwas Konkretem, wenn es von einem Gegenüber widergespiegelt wird. Und das erfordert den direkten Austausch von Mensch zu Mensch.

In vielen Situationen, ganz besonders im Arbeitsleben, ist eine kurze, klare Kommunikation zwingend notwendig. Es bleibt oft wenig Zeit, Zwistigkeiten an ihrer Wurzel zu packen, grundlegende Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Entscheidungen sind gefragt, manchmal sofort. Doch in der Kürze liegt nicht immer die Würze, denn je knapper die Botschaft umso größer ist oft der Interpretationsspielraum und umso größer auch der Ärger, seine Botschaft, Gedanken und Ideen nicht wirklich rüberbringen zu können.

 

Ganz besonders die deutschen Unternehmen sind von einer Kommunikationskultur geprägt, die vorgibt, vom Effizienzgedanken geleitet zu sein. Doch sie ist noch immer vor allem eines: sehr hierarchisch, undemokratisch und mit wenig echtem Austausch. Wer einmal einem Geschäftsmeeting in einem Unternehmen in Schweden beigewohnt hat, weiß: Es geht auch anders. Dort wird eine Konsenskultur gepflegt, die Fremde oft in den Wahnsinn treibt. Es wird so lange diskutiert, bis auch der letzte einverstanden ist und vor allem verstanden wurde. Das Wundersame an dieser Gesprächs-Kultur: Sie ist für das Unternehmen alles andere als schädlich.

 

Heidi Halvorson, Sozialpsychologin an der Columbia Business School, hat viele Jahre über die grundlegenden Missverständnisse zwischen Menschen, ganz besonders im Arbeitsleben, geforscht. Sie beschreibt in ihrem Buch "No one understands you and what to do about it", wie schlecht selbst die sensibelsten Wesen unter uns darin sind, die Gefühle und Motivationen unseres Gegenüber einzuschätzen. Diese Missverständnisse lösen oft eine Kaskade an weiteren Missverständnissen aus. Schubladen-Denken vereinfacht das Leben, aber es behindert, sich grundlegend auf die Komplexität menschlicher Kommunikation einzulassen und fördert Fehlentscheidungen.

 

Der Mensch hat sich sehr bemüht, über Millionen von Jahren ein immer ausgefeilteres System an Sprache zu erschaffen, um sich nicht nur mit Hilfe sehr missverständlicher Körpersprache oder Gebrüll verständlich machen zu müssen. Wir schreiben Gedichte, Bücher, Lieder, um uns auszudrücken. Gleichzeitig sind aber auch Begriffe entstanden, die die Komplexität des Lebens kondensieren. "Zeitgeist" zum Beispiel ist ein Wort, das auch die Amerikaner lieben und alle verstehen, ebenso das Wort "Fahrgefühl", das in Übersee dank einer BMW-Kampagne in den 90er Jahren das ganz besondere Lustempfinden beschreibt, in einem Auto bequem durch die Gegend zu fahren und dabei das Leben zu genießen. Wir Deutschen würde gerne das  dolce vita genießen und möglichst noch nicht so schnell ins Nirvana verschwinden.

 

Tim Lomas, Dozent für Positive Psychologie an der University of East London, ist um den Globus gereist, um in den Sprachen dieser Welt nach solch speziellen Wörtern zu suchen.  Er hat ein Lexikon aus 216 Wörter aus 49 verschiedenen Sprachen zusammengestellt, die diffizile Gefühlszustände und Handlungsanweisungen in nur einen Begriff fassen.

 

Mit Ilunga zum Beispiel drücken die Bantu in Ostafrika zum Beispiel kurz und knackig  aus, dass sie bereit sind, ein erstes mal zu vergeben, einen Fehler noch ein zweites mal zu tolerieren, aber niemals ein drittes mal. Wenn also das scharfe Wort Ilunga fällt ist klar: Man hat eine ganz bestimmte Grenze vermutlich schon zweimal deutlich überschritten, keine weiteren Erklärungen nötig.

 

Mit sisu bezeichnen die Finnen  die  enorme psychische Stärke, die es einer Person erlaubt, ganz außergewöhnliche Situationen zu meistern. Wer jemandem erklärt, er habe sisu gezeigt, spricht damit also ein sehr großes Kompliment aus.

 

Sich anbahnende Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz sind eine sensible Angelegenheit. Die Yagán aus Feuerland beschreiben den Blick, den zwei Menschen austauschen, die sich nacheinander sehnen, was aber noch nicht ausgesprochen ist, mit dem Wort mamihlapinatapei. Zugeben, das Wort ist ein Zungenbrecher. Aber eine einzige email mit der Betreffzeile mamihlapinatapei, vielleicht noch mit einem Fragezeichen versehen, kann die Situation klären. Es muss also nicht viel wertvolle Arbeitszeit verstreichen.

 

Da das Leben ohnehin nicht nur aus Arbeit bestehen sollte, gibt es weltweit vor allem Worte für die besonders schönen Dinge im Leben. Die Holländer sagen queesting, wenn sie einen Liebhaber für einen kleinen Plausch ins Bett locken wollen. Die Aborigines beschreiben dadirri als einen tiefen, spirituellen Akt von reflektiven und respektvollem Zuhören. Eines meiner Lieblingsbegriffe kommt aus dem Norwegischen. Utepils ist ein Bier, das man draußen genießt, ganz besonders am ersten schönen Sonnentag des Jahres. Die Norweger müssen auf einen solchen Moment ja ganz besonders lange warten.

 

Also, auf ein utepils und schöne Feiertage!