Warum Feminismus für Männer sexy ist

Männer können gar keine Feministen sein. Schließlich ist Feminismus eine exkludierende Ideologie, die nur für Frauen gemacht ist. Sagen sogar Feministinnen“, kommentiert ein Mann namens Eduardo auf Facebook einen Beitrag der Frankfurter Rundschau. Eduardo, das ist klar, mag keine Feministinnen, was auch immer sie ihm getan haben mögen. Ebenso ist zu vermuten, dass Eduardo eigentlich ganz froh ist, von den Feministinnen exkludiert zu werden.

 

Feminismus, das war und ist in Deutschland nach wie vor ein Schimpfwort. Feministinnen, das sind doch die, die keine BHs, dafür aber Oma-Unterhosen tragen, Männer hassen und diese längst nicht mehr brauchen. Sie rasieren sich nicht unter den Achseln oder sonst wo. Möglicherweise haben sie sogar Haare auf den Zähnen. Und: Sie müssen alles immer gleich so extrem sehen und formulieren.  Diejenigen, die sich weiterhin vehement Feministin nennen, sollten sich zusätzlich zu ihrer selbstgestrickten Unterwäsche sehr warm anziehen. Denn sie müssen stets bereits sein, sich mit einem Arsenal an Argumenten gegen die absurdesten Vorwürfe zu verteidigen.

 

Feministinnen sind doch  humorlos, meint auch die von mir eigentlich sehr geschätzte TV-Moderatorin Katrin Bauernfeind. Sie nennt sich aber selbst Feministin, nur eben sei sie ausnahmsweise mal eine der humorvollen Art. Dagegen kann man nichts haben, auch nicht als Feministin. Ich lache gerne über mich selbst, manchmal auch über Feministinnen. Aber lustig sind diese in der Tat nicht immer, und das oft zu Recht. Ich finde es wenig amüsant, unaufgefordert angegrabscht, von männlicher Gewalt bedroht oder bei der Arbeit benachteiligt zu werden, nur weil ich Frau und möglicherweise auch noch Mutter bin, alles schon passiert, war nicht lustig. Ich lache auch längst nicht mehr über dumpfe Weiberwitze und auch nicht über anzügliche Bemerkungen, die nicht in den Kontext gehören. Trotzdem mag ich Schmeicheleien, Komplimente, ganz besonders gerne von bestimmten Männern. Das ist ja wohl kein Widerspruch.

 

Männer, das geben viele offen zu, haben Angst vor Feministinnen, viele Frauen ebenfalls. Wer einen unangenehmen Typen heutzutage schnell in die Flucht schlagen möchte, setzt sich einfach vehement und lautstark für die Rechte der Frauen ein. Das funktioniert bestimmt. Sich als Frau über Feministinnen lustig zu machen, sie vielleicht gar zu verachten, umgekehrt ebenfalls. Da hat man gleich die Männer auf der Seite, vor allem, wenn Frau attraktiv ist. Die Feministinnen gehen vielen irgendwie auf den Geist. Schließlich reden sie uns  ständig ein schlechtes Gewissen ein, wenn Frau mal sexy sein und hohe Schuhe tragen möchte,  Männer eigentlich toll findet und sich um den Finger wickeln lässt statt die nächste Beförderung anzustreben.

 

Feminismus wird in der deutschen Öffentlichkeit, aber auch in Privathaushalten als eine spaßbefreite Verbots-Religion wahrgenommen. Da sei er ganz anders als der Katholizismus, der auch mal kleine Sünden zulässt, solange anschließend augenzwinkernd gebeichtet wird.  Da sind die Feministinnen selber Schuld, meinen viele. Ganz besonders verbockt habe es allerdings die Schreihälsin Alice Schwarzer. Das mag ja sein, aber wiederum auch nicht.

 

Feminismus, das ist zunächst einmal klarzustellen, ist keine Religion, sie ist auch kein ausschließlich zu definierende Weltanschauung, die nur auf Frau Schwarzer hinausläuft. Feminismus ist eine politische Bewegung, die nach Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern strebt. Dabei geht es nicht nur um die formelle, das heißt rechtliche Gleichstellung, sondern um die Anfechtung all jener Zustände, durch die Frauen diskriminiert werden. Feministische Theorien und Denkansätze gibt es wie Sand am Meer. Die Debatte ist vielfältig und auf keinen Fall als etwas exkludierendes zu betrachten.

 

Die Frauen meiner Generation und auch die jüngeren mögen den Film „Thelma & Louise“ gut kennen. Das Drama mit Susan Sarandon und Geena Davis in den Hauptrollen galt als Gender-Wendepunkt in Hollywood. Frauen durften auf einmal richtig stark sein, ohne einen Mann an ihrer Seite. Doch bis heute sind ihnen auf der Leinwand nicht all zu viele gefolgt. Die weiblichen Stars wirken weiterhin oft zerbrechlich, sind in der Regel blutjung, blond und weiß und steigen spätestens nach 60 Minuten mit irgendeinem Helden ins Bett. Frauen haben in vielen westlichen Industrienationen inzwischen bessere Noten, eine höhere Schulbildung, ohnehin bessere empathische Fähigkeit dazu noch die Bereitschaft zum Multitasking. Trotzdem haben Eltern noch immer höllische Angst davor, ihre Söhne nicht männlich genug zu erziehen. Sie dürfen noch immer frecher, brutaler, störrischer sein als Mädchen und schaden dabei vor allem sich selbst.

 

Als ich studierte, war ich fest davon überzeugt, dass die Gleichberechtigung nach dem Diplom gleich hinter der Tür wartete. Ich debattierte mehrere Jahre in Seminarräumen über feministischen Theorien, die sich so herrlich sinnvoll und logisch anhörten. Draußen in der realen Welt schien diese aber niemand für voll zu nehmen. Wer je für einen Fernsehsender, möglicherweise sogar einen privaten, gearbeitet hat, weiß was ich meine. Von gleichen Chancen für beide Geschlechter keine Spur. Das gleiche gilt für andere Branchen. Eine Kollegin, gestandene Fernsehredakteurin berichtete erst gestern, der Manager eines bekannten Autokonzerns habe bei einem Interviewtermin ungeduldig nach dem Redakteur gefragt. Wann es denn endlich losgehen würde. Er hatte die Dame für die Assistentin gehalten.  Wir Frauen verdienen noch immer für die gleiche Arbeit im Schnitt wesentlich weniger als Männer. Wir werden viel häufiger verprügelt, sexuell belästigt, im Büro links liegen gelassen. Also, ganz ehrlich, es braucht noch ein paar mehr Schreihälsinnen, natürlich gerne auch humorvolle.

 

Ich als bekennende Feministin bin durchaus schon heftig von anderen Feministinnen attackiert worden, nicht feministisch genug zu argumentieren, zu schreiben, zu formulieren. Das stört mich nicht wirklich. Manchmal sind Argumente dabei, die mich zum Umdenken bewegen, manchmal eben nicht. Feminismus begreife ich nicht als Knast sondern als nötige Befreiungsbewegung, die noch längst nicht genug erreicht hat. Er dient ja auch den Männern, die irgendwann vielleicht nicht mehr brusttrommelnd Macho spielen müssen, öfter mal frühzeitig Feierabend machen oder auch gar keine Karriere machen dürfen.

 

 Meinen Töchtern kann ich nur wünschen, dass der Feminismus aus seiner Buddelecke herausgelassen und wieder ernstgenommen wird. Natürlich müssen auch Feministinnen nicht zum Lachen in den Keller gehen. Aber manchmal bleibt ihnen halt das Glucksen im Halse stecken. Und ja, auch Männer dürfen Feministen sein. Woher kommt nur dieser Argwohn, gar diese Abscheu, liebe Männer? Habt ihr Angst, als Feminist nicht mehr sexy genug zu sein, euch nicht mehr die Achselhaare oder gar nicht mehr rasieren zu dürfen? Feministen sind Männer immer dann, wenn sie für gleiche Chancen, gleiche Rechte, die gleiche Würde von Mann und Frau einstehen, nicht mehr und nicht weniger, ob sie sich nun so nennen wollen oder nicht. Es kam noch immer mehr auf den Inhalt als auf das Etikett an. Trotzdem, liebe Männer, traut euch ruhig. Mr. Trudeau, der kanadische Ministerpräsident, zeigt, wie sexy das sein kann. "Because it is 2016!" Wir Frauen, zumindest die Feministinnen,  werden euch dafür lieben, versprochen!