Links, feministisch, Putzfrau

Putzen ist eine Tätigkeit, die mehr Leuten Spaß macht als man denken könnte.  Ich würde mich selbst nicht als Sauberkeitsfanatikerin bezeichnen. Aber wenn es beim Schreiben mal nicht vorangeht, schwinge ich gerne den Wischmopp und hoffe, bei Lavendel- oder Zitrusduft auf frische Gedanken zu kommen. Ebenso gut funktioniert das Brainstorming beim Joggen, Tanzen oder Wäsche zusammenfalten.

 

Ich fühle mich nicht entwürdigt, wenn ich das Bad säubere oder Fenster putze, auch als Frau nicht. Putzen, so meine Haltung, gehört zum Leben doch irgendwie dazu. Aber gleichzeitig kann ich jeden gut verstehen, der das Saubermachen lieber gegen Bezahlung an andere abgeben möchte. Welche Arbeit  entwürdigend ist, darf jeder selbst entscheiden. Ich würde lieber putzen gehen als für einen Fernseh-Sender unter Schock stehende Katastrophen-Opfer vor die Kamera zu zerren oder ahnungslosen Kunden faule Kredite zu verkaufen. Andere Menschen sehen das ganz anders.

 

In der taz gab es am vergangenen Wochenende eine aufgeregte Diskussion darüber, ob Linke eigentlich den Putzlappen aus der Hand geben und Fremde für sich putzen lassen dürfen. Peer Steinbrück war erneut Thema, dem einst nachgesagt wurde,  eine philippinische Haushaltshilfe ohne Sozialversicherung  beschäftigt zu haben. Die Wahrheit ist: alles war ganz legal. Auch Simone Peter, Parteichefin der Grünen, so erfuhr man in der taz, hat keine Probleme mit Fremd-Putzern, solange sie vernünftig versichert und entlohnt würden. Die Argumentationskette in der Tageszeitung verlief teils recht abenteuerlich (hier nachzulesen). Die grundlegende Botschaft lautete: Putzenlassen ist selbst für Genossen schon okay, solange das Saubermachen nicht schwarz entgolten wird. Doch so ganz wohl fühlen könne man sich dabei nicht, denn irgendwie sei es  doch eine dreckige Arbeit, trotz Gummihandschuhen und Mindestlohn.

 

Und genau daran stoße ich mich gewaltig. Dreckig und entwürdigend ist für sich keine Arbeit, solange die Bedingungen stimmen. Natürlich verläuft das nationale und internationale Putz-Business alles andere als sauber und sozial gerecht. Es putzen noch immer fast nur Frauen, und - das ist das eigentliche Problem - für viel zu wenig Lohn und häufig unter ausbeuterischen Bedingungen. Trotzdem: Wer sich politisch links von der Mitte positioniert, und das bedeutet für mich vor allem der Einsatz für soziale Gerechtigkeit, sollte mit Fremdputzen kein Problem haben.

 

Die menschliche Zivilisation basiert auf Arbeitsteilung. Das macht auch für die eigene Komfortzone großen Sinn und muss nicht grundsätzlich Schuldgefühle erzeugen. Nicht jeder weiß über Warzen besser bescheid als der eigenen Hausarzt. Nicht jeder kann und möchte sich selbst versorgen oder die Kleidung selber stricken. Viele geben auch gern das Putzen aus der Hand und zahlen bereitwillig dafür.  Damit diese Arbeit nicht zu einer unwürdigen Beschäftigung wird, wurde der Mindestlohn erfunden und die Sozialversicherung. Wer sich eine Putzhilfe leisten möchte, kann also faire, sozial gerechte Arbeit schaffen und gern einen Teil seines Vermögens weiterreichen. Er oder sie muss ja nicht nur den Mindestlohn zahlen.

 

Putzen, und das ist das eigentlich Absurde, wird erst dann zum Wirtschaftsgut, wenn dafür gezahlt wird. All die unzähligen Stunden Haus- und Pflegearbeit, die nach wie vor vor allem Frauen unendgeldlich leisten, fließen nicht in die Berechnungen des Bruttosozialproduktes und auch nur minimal in die Rente mit ein. Diesen Frauen fehlt die Zeit für entlohnte Arbeit und auch für Fortbildungen. Viele rutschen deshalb nach einer Trennung oder im Alter in die Armut.

 

Die Arbeitswelt orientiert sich noch immer mehr oder weniger unbewusst  am Brötchenverdiener-Modell. Irgendjemand wird Zuhause den Dreck schon weg machen, ob nun die Partnerin oder die Putzkraft. Denn der oder die Angestellte soll keine Zeit verschwenden, um  „wertvolle“ Stunden für die Firma leisten zu können. Zwar leisten auch Männer mehr und mehr Hausarbeit, doch die Unterschiede in der Beteiligung sind nach wie vor frappierend, von vielen Ausnahmen natürlich abgesehen. Da möchte ich niemanden ungerechtfertigt beleidigen.

 

Frauen und Männern ist es privat überlassen, ihren Alltag neben der bezahlten Tätigkeit zu arrangieren und ohne große Katastrophen über die Bühne zu bringen.  Wieviele Stunden putzt, kocht, betreut sie und er die Kinder? Bleibt noch Zeit übrig für den Gemüseanbau im  Schrebergarten, das Ehrenamt, die schwerkranke Tante, gar ein Hobby? Das alles wird zu einer zunehmend komplexen Debatte, die auf gesamtgesellschaftlicher und politischer Ebene bisher noch nicht so recht angekommen ist. Wer 40, 50 oder gar 60 Stunden entlohnter Arbeit in der Woche nachgehen muss, dem sind sehr enge Grenzen gesetzt.

 

Hausarbeit auszulagern, im Businessdeutsch outsourcen, ist keine grundsätzlich inhumane Angelegenheit. Und zugegeben, vom Putzen können Männer und Frauen sich emotional noch am leichtesten distanzieren. Man vermisst nicht viel, wenn es jemand anders macht. Wenn es um das wann, ob und wieviel „Fremdbetreuung“ der eigenen Kinder, der Pflege kranker Angehöriger geht, besteht schon weniger individueller Spielraum. Klar ist, dass arbeitende Menschen einige Stunden am Tag für die Erledigung des eigenen Alltags-Pensums benötigen. Und dann wollen alle auch noch ein wenig Spaß  haben. Und dafür benötigen sie eines: Zeit.

 

In den meisten Gesellschaften dieser Welt gibt es über das „Putzen-Lassen oder nicht“ keine große  Debatte: Sobald auch nur annähernd genug Geld vorhanden ist, greift man ohne zu zögern auf fremde Hilfe zurück. Das geschieht leider häufig ohne großes Kopfzerbrechen über menschenwürdige Bedingungen.  Wer arm ist, muss das ohnehin alles irgendwie allein hinkriegen.

 

Die Globalisierung von Arbeit führt zudem zu ganz neuen Problemen. Philippinische Putzhilfen zum Beispiel, die in amerikanischen oder deutschen Haushalten putzen, schicken zwar Geld in ihre Heimatländer, müssen allerdings dort häufig auch Kinder zurücklassen, die sie dann über Jahre kaum noch zu Gesicht bekommen.  Sie wiederum zahlen, natürlich für viel weniger Geld, ebenfalls wieder Haushaltshilfen aus meist noch ärmeren Verhältnissen. Man muss schon geschickt im Verdrängen sein, wenn man geflissentlich ignoriert, dass die philippinische Haushaltshilfe zwar ordentlich putzt, nachts aber in ihr Kissen weint, weil sie ihre Töchter und Söhne vermisst.

 

Sozial gerecht ist Arbeit erst dann, wenn jeder die gleichen Chancen hat, wenn die philippinische Putzhilfe die Möglichkeit gehabt hätte, ihre Schule abzuschließen, zu studieren und vielleicht doch Rechtsanwältin zu werden, wenn die polnische Biologin jetzt nicht mit Putzen ihren Unterhalt verdienen müsste.  Doch diese Frauen arbeiten auch deshalb,  um ihren Kindern einen anderen Weg zu ermöglichen, bessere Schulen zum Beispiel. Menschenunwürdig ist ihre Arbeit deshalb nicht. Auch als linke Feministin oder als linker Feminist kann ich eine philippinische Putzkraft beschäftigen, solange ich sie ordentlich entlohne und ihre privaten Probleme und Sorgen wahrnehme, vielleicht sie sogar unterstütze. In großen Unternehmen nennt sich das corporate responsibility, im privaten Umfeld schlicht: Respekt vor der Würde des anderen.